Holz ölen !?
In Fach- und Amateurkreisen wird immer wieder die Diskussion geführt, ob es gut, nützlich, sinnvoll oder zielführend sei, das Holz der Klarinette zu ölen. Gängige Praxis ist: Bei der in größeren Intervallen durchgeführten "Generalüberholung" wird die Klarinette in der Fachwerkstatt komplett demontiert und der von der Mechanik befreite, gereinigte Korpus eine Zeit lang "ins Ölbad gelegt" (d. h. gut eingeölt und nach einiger Zeit trockenpoliert). Unstrittig kann mit Öl eine glatt polierte Holzoberfläche gereinigt werden – einfach mal mit einem weichen Lappen und etwas gutem Olivenöl aus der Küche an einem Holzgegenstand wie z. B. einem Schneidebrett oder einem Messergriff ausprobieren!
Meine Erfahrung aus der jährlichen Grundreinigung meiner Klarinetten: Die äußere Oberfläche des Instrumentenkorpus dankt es, wenn ich sie mit einem sehr weichen Lappen oder Papiertuch (sog. "Küchenrolle" oder "Haushaltstücher"), der/das mit wenig Leinöl getränkt ist, abreibe. Fett- und andere Schmutzablagerungen verschwinden, das Holz erhält seine natürliche, klare Farbe zurück. Und auch die Innenseite des Korpus meiner Klarinetten öle ich regelmäßig mit Leinöl, besonders auch die Zapfenherzen, wo sich am Stirnholz immer Wasser sammelt; übrigens auch am Schallbecher, den ich deswegen nach dem Spielen ebenfalls stets abnehme und trockenwische.
Was nun die Ölung der inneren Oberfläche des Holzkorpus und der Tonlöcher anbetrifft, da scheiden sich die Geister. Sie soll ja wahre Wunder gegen Rissbildung und andere Unbill bewirken, aber wir alle wissen: Auch jahrzehntelang ungeölte, ja geradezu vernachlässigte und ungepflegte Klarinetten zeigen oftmals keinerlei Risse oder dergleichen. Hingegen wurde sogar ausgerechnet bei gut gepflegten und regelmäßig geölten Klarinetten ein Riss gesichtet!
Glaubenssache?
Es gibt Fakten. Es gibt Meinungen. Es gibt Diskussionen. Was fehlt: Der Beweis einer hundertprozentigen Lösung aller Probleme. Soviel steht fest: Mit der Atemluft transportieren wir ziemliche Mengen an Feuchtigkeit in das Instrument. Infolge der Temperaturunterschiede schlägt sich ein Teil davon als Kondenswasser an der Oberfläche der Innenbohrung nieder (und ein Teil davon läuft manchmal an dem einen oder Tonloch wieder hinaus, meist aber nur unten am Schallbecher).
Das ist der Grund, warum wir das Instrument nach Gebrauch durchwischen. Dabei bleibt bestenfalls der größte Teil der Feuchtigkeit im Putzlappen. Aber nicht alle. Manche verdunstet einfach, andere wiederum kann sich ihren Weg in den Korpus hinein bahnen, durch die mikrofeinen Holzporen. Das Holz freut sich darüber, denn nach all den Jahren des Trocknungsprozesses bekommt es endlich wieder Wasser! (Wir erinnern uns: Die Klarinette war in ihrem früheren Leben ein wasserführender Baumstamm.) Das Holz quillt auf. Unmerklich. Aber die Feuchtigkeit dringt nur in den inneren Teil des Holzes. Außen bleibt es trocken. Spannungen entstehen, vielleicht noch begünstigt infolge äußerer mechanischer Einwirkungen durch die Handhabung oder die Applikatur. Auf der äußeren, trockenen Seite ist das Holz spröder als auf der inneren, feuchten Seite (die sich ausgedehnt hat). Außen reißt es. Wenn man Glück hat, nur außen und nicht bis in ein Tonloch hinein. Wer nicht ölt und keine Schäden am Instrument davon trägt, hat einfach Glück gehabt. Meine ich.
Praxistipp
Nach dem Spielen immer die obersten Tonlöcher auspusten – und zwar auch und gerade die oberen beiden Trillerklappen. Da man diese fast nie benützt, kommt hier keine warme Atemluft durch, die das Holz erwärmt und Feuchtigkeitsniederschlag vermeidet bzw. etwaige Feuchtigkeit trocknen lassen könnte (Fön). Hier sammelt sich oftmals eine beträchtliche Menge Wasser!
Und nach dem Auspusten mit einem Papierstüpckchen (bspw. vom Kaffeefilter) die ausgepusteten Tonlöcher "aufsperren", sodass zum Trocknen Luft hindurchzirkulieren kann.
Diskussion.
Selbstverständlich ist "das Ölen" diskussionswürdig!
Winfried Mueller aus Dortmund hat einige materialtechnische und verarbeitungspraktische Informationen zusammengestellt:
Im Forum auf musiktreff.info wurde einst etwas länger diskutiert (mit weiterführenden Links):
Und, quasi als "Urmutter" aller Beiträge zum Thema, ein Artikel von Martin Schöttle aus der Zeitschrift 'rohrblatt, geschrieben 1998 (Quelle):
Anleitungen:
Foto-Anleitung von Harald Hüyng
Harald Hüyng, Instrumentenmacher und Klarinettist aus Düsseldorf, stellt eine bebilderte Anleitung zum Ölen bereit. So mache ich es auch:
Der Ölwischer (Seidenöler, Blockflötenwischer) kann lange Zeit wiederverwendet werden, wenn man ihn nach dem Ölen mit Handgeschirrspülmittel und lauwarmem Wasser reinigt, mit einem sauberen Tuch auswringt und an der Luft trocknen lässt. Zum Entfernen überschüssiger Ölbestände im Korpus verwende ich ein paar Stunden danach papierne Haushaltstücher. Die sind sehr weich und saugfähig, und für den Einmalgebrauch preisgünstig genug.
Video-Anleitung von Jochen Seggelke
Jochen Seggelke, Instrumentenmacher und Klarinettist aus Bamberg, stellt auf YouTube ein Video-Tutorial zum Ölen bereit. Im Wesentlichen identisch mit der bebilderten Anleitung von H. Hüyng, kann man hier die Prozedur quasi in Echtzeit verfolgen (und mitmachen) sowie die eigenen Englischkenntnisse auffrischen.
Allgemeine Pflege-Tipps von Jochen Seggelke
Jochen Seggelke, Instrumentenmacher und Klarinettist aus Bamberg, gibt noch einige weitere hilfreiche Tipps zur Pflege der Klarinette, speziell auch für die erste Zeit nach dem Kauf, solange das Instrument noch "neu" ist:
- Einspielen von neuen Instrumenten
- Lagerung des Mundstücks
- Ölen des Instruments
- Pflege der Mechanik
- Hinweise für die kalte Jahreszeit