A-, B- oder C-Klarinette?
Von der Notation und den Wünschen der Komponisten. Oder anders gefragt: Was wollen Komponisten, wenn Sie ein Musikstück explizit für A-, B- oder C-Klarinette schreiben? Soll oder muss ich dieser Vorgabe folgen?
A oder B oder C, oder ...?
Leserfragen, kurz beantwortet
Folgende Frage erreichte mich im Jahre 2015 ...
❞ Hallo Herr Hohlfeld,
auf der Suche nach mehr Informationen über die A-Klarinette bin ich auf A-Klarinette.de gestoßen und habe dort schon viel Hilfreiches gefunden. Vielleicht können Sie mir noch ein paar spezielle Fragen beantworten?
Ich besitze eine alte A-Klarinette (wahrscheinlich wenigstens 100 Jahre aber voll funktionsfähig), habe vor ca. 20 Jahren C-Klarinette gespielt und möchte nun wieder einsteigen. Am liebsten möchte ich natürlich auf der A lernen. Ist das Ihrer Meinung nach empfehlenswert bzw. möglich? Gibt es eine A-Klarinettenschule?
Für einige Tipps und Ratschläge wäre ich Ihnen äußerst dankbar [...] ❝
... und gab mir Anlass, Folgendes aufzuschreiben:
❞ Schön, dass Sie wieder zur Klarinette finden wollen.
A-, B- und C-Klarinette gehören in der großen Klarinettenfamilie zur Gruppe der Sopranklarinetten und unterscheiden sich, jedoch nicht allzu grundlegend. Im Vergleich zu den notierten Noten klingt die C-Klarinette wie notiert, die B-Klarinette zwei Halbtöne und die A-Klarinette drei Halbtöne tiefer. Daher unterscheiden sie sich vorwiegend in der Länge (je tiefer – je länger), und dadurch auch in der Griffweite, besonders spürbar bei den Tonlochabständen für die rechte Hand (vierter und fünfter Finger). Die C-Klarinette ist spieltechnisch je höher je anspruchsvoller als ihre beiden Schwestern. ➤
➤ So gibt es keine speziellen Schulen für die A-, B- oder C-Klarinette. Jede handelsübliche Klarinettenschule sollte für jede der drei tauglich sein, solange ohne Klavierbegleitung genutzt.
Die meiste Literatur jenseits der Lehrwerke ist für die am weitesten verbreitete B-Klarinette geschrieben (die Lehrwerke übrigens auch, was aber halt zweitrangig ist, solange man alleine oder mit anderen Klarinetten gleicher Stimmung spielen will). Kammermusik und Sinfonik, meist wenn Streicher dabei sind, erfordern oft (vielleicht in 2/5 aller Fälle) die A-Klarinette, seltener die C-Klarinette.
Die C-Klarinette wiederum wird neuerdings für junge Anfänger (etwa bis zu einem Alter von zehn oder elf Jahren) genutzt, da die Hände dann meist noch zu klein für die B-Klarinette sind. Sie eignet sich vor allem auch für jene, die Populärmusik aus den Sing- oder Flötenstimmen spielen wollen, weil die in C notiert sind und nur selten eine Stimme in B beigefügt haben (worauf man dann beim Kauf achten sollte oder man lernt das Transponieren vom Blatt, was aber nicht jedermanns Sache ist).
Zum Wiedereinstieg empfehle ich im Übrigen sehr, den Rat von jemandem einzuholen, der sich damit auskennt (landläufige Bezeichnung: Lehrer). Das zahlt sich auf jeden Fall aus! ❝
Was Komponisten schreiben – und was man spielt
Die Frage nach der Verwendung einer vom Komponisten vorgeschriebenen A-, B- oder C-Klarinette ist eine mehr oder weniger beliebte und nie enden wollende Diskussion unter Experten und Praktikern:
Soll man den Stimmungsvorgaben der Komponisten unbedingt folgen, oder darf man auch die ungewohntere, im eigenen Bestand nicht vorhandene oder im spielerischen Zusammenhang etwas ungünstig einzusetzende A- bzw. C-Klarinette durch die - stets verfügbare und gewohnte - B-Klarinette ersetzen?
Festzuhalten ist, dass es unterschiedliche Beweggründe für die Einzeichnung dieser oder jener Stimmung gibt: Entweder die Instrumentalisten der Uraufführung hatten nur diese oder jene Klarinette; für sie war diese oder jene Klarinette, in Ermangelung moderner ausgefeilter Klappenmechanik, in der vorgesehenen Tonart leichter zu spielen. Oder der Komponist wollte den spezifischen Klangcharakter der A-, B- oder C-Klarinette gezielt einsetzen.
Nicht in allen Fällen lässt sich heute die Intention der Komponisten zweifelsfrei erkunden. Allen Zweiflern zum Trotz bin ich aber als Praktiker mittlerweile zutiefst davon überzeugt, dass es klangliche Unterschiede zwischen den drei Klarinetten gibt, und dass dasselbe Stück mit unterschiedlich gestimmten Instrumenten unterschiedliche Charaktere bekommt (besonders ausgeprägt bei Verwendung der C-Klarinette). Intelligente Handwerkskunst beim Klarinettenbau weiß diese Charaktermerkmale sehr gut herauszuarbeiten, womit der Klarinettist dann ganz im Sinne des Komponisten den Klang gestalten kann.
Also:
Wer’s kann, sollte sich an den originalen Notentext halten und offen für das Klangergebnis sein! Mir war dies immerhin den zusätzlichen Kauf einer professionellen C-Klarinette wert.
P. S.
Verschiedene Kompositionen lassen sich ohne Berücksichtigung der Vorgaben des Komponisten werktreu umsetzen:
Johannes Brahms wollte z. B. in seiner 3. Sinfonie einfach nicht mehr als drei Vorzeichen angeben, womit er den Gepflogenheiten seiner Zeit folgte. Wenn man also mit vier oder mehr Vorzeichen keine Probleme hat, so kann man sich den nervenaufreibenden Wechsel von B nach A und zurück getrost sparen.
Das gleiche gilt für den II. Satz der 9. Sinfonie von Antonin Dvorak: Hier wechselt man gewöhnlich nicht für ein paar Takte von der A- zur B-Klarinette, die bis dahin ungenutzt und eiskalt am Rande des Geschehens stand und so wenig Sinnvolles zu den intonatorisch heiklen Passagen beitragen kann.
Sogar Franz Schuberts sogenannte Unvollendete Sinfonie in h-Moll lässt sich nicht nur auf der von ihm vorgesehenen A-Klarinette gut spielen. Wer vier Vorzeichen (# und b) nicht scheut, wird dem Stück auch auf der B-Klarinette gerecht werden können, wenn er damit klanglich zur 1. Oboe und 1. Flöte findet.
Bassklarinette in A – eine seltene Spezies
Keith Bowen beschreibt anschaulich und spannend den »Aufstieg und Fall der Bassklarinette in A« seit 1793 bis heute und gibt einige wegweisende aufführungspraktische Hinweise, die über die Frage »Bassklarinette in A oder B?« hinausgehen. (Gratis-Link in englischer Sprache; beide Ausgaben mit Abbildungen und Werkverzeichnis)