Rissbildung
Ein immer wieder [un]beliebtes Thema unter Klarinettisten ist die Frage (besser: die Sorge):
»Reißt das Holz meiner Klarinette? Und wenn ja, warum – und wenn nein, warum nicht?«
Sicher ist, dass ein von außen nach innen durchgehender Riss im Korpus gleichbedeutend ist mit dem Tod des Tons. Die Resonanzfähigkeit geht verloren. Flicken ist schwierig und von ungewissem Erfolg, sodass im schlimmsten Fall der Korpus ausgetauscht werden muss. Immerhin: Die Mechanik lässt sich zum Glück umstandslos vom alten auf den neuen Korpus übertragen.
Ursache für Risse
Der Holzblasinstrumentenmacher Anton Braun gibt eine Erklärung für die Rissbildung:
»Durch die Atemluft des Spielers ist die Flöte einer ständigen Fluktuation von Feuchte und Temperatur ausgesetzt – es bildet sich Kondenswasser. Dies führt zum Quellen der inneren Bohrung der Flöte, die trockene Außenseite gibt nicht nach und im extremen Fall kann es zu oberflächlichen Rissen oder Sprüngen kommen. Gerne wird in einem solchen Fall die Meinung vertreten, ein unzureichend ausgetrocknetes Holz sei für das Instrument verwandt worden. Diese Ansicht ist jedoch falsch, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass ein noch feuchtes Holz an der Oberfläche nicht reißt. Vielmehr kommt es durch Schrumpfen bzw. Trocknen dazu, dass die Ringe und die sonst noch im Holz befestigten Metallteile sich lockern.
Reißen der Holzoberfläche ist also kein Qualitätsmangel des Holzes, sondern ein Hinweis auf unachtsamen Umgang mit demselben.
Die Gefahr der Bildung von Sprüngen oder Rissen sollte nicht unter-, aber auch nicht zu sehr überbewertet werden. Bei Oboen und Klarinetten hat sich Holz gegen die Verwendung von Metall und Kunststoff durchgesetzt und man nimmt den geringen Mehraufwand an Pflege gern für eine schönere Klangfarbe in Kauf.
Die Wandstärke des Korpus beträgt bei Klarinetten ca. 8 mm, bei Oboen ca. 6 mm, bei meinen Flöten und Piccoli dagegen nur ca. 3 mm. Der Spannungsunterschied ist damit bei Flöten wesentlich geringer, als bei anderen Holzblasinstrumenten. Auch die unterschiedliche Tonerzeugung – bei Flöten spaltet sich der Luftstrom an der Mundlochkante, ungefähr nur die Hälfte strömt in das Instrument – ist bei Vergleichen zu berücksichtigen.Somit ist die Gefahr einer Rissbildung bei Holzflöten beträchtlich niedriger, als dies bei anderen Instrumenten der Fall ist.«
Rein oberflächliche Risse, die die Tonlöcher nicht sprengen, kann man wohl als Dehnungsfuge auffassen, mit der das Holz Volumenveränderungen infolge von Erwärmung und Durchfeuchtung, die zu Spannungen führen, ausgleicht. Der Kunst des mit dem Material vertrauten Instrumentenmachers überlässt man klugerweise solche Fälle zur Begutachtung und fallweisen Behandlung.
Zum Thema »Holz ölen« verweise ich auf diese Seite.
Buchsbaumbaustelle
Hier zeige ich ein Beispiel für einen feuchtigkeitsbedingten Riss im Buchsbaum-Korpus des Oberstücks einer B-Klarinette, der mit Kleben alleine nicht behoben werden konnte und etwas gründlichere Maßnahmen erforderte. – Nichts für schwache Nerven! –
Alle Fotos © Achim Hohlfeld 2015.